******************************** Editorial *********************************** ******************************** vom *********************************** ******************************** 15.03.92 *********************************** by Jörg Herz DIE SPIELE-KONSOLE Der Leser möge es mir verzeihen, wenn sich in diesen Artikel der ein oder an- dere Druckfehler einschleicht, aber leider kann ich meinen Monitor momentan nicht mit den Augen fixieren, da ich immer noch heftig mit dem Kopf schüttele. Aber mal ganz von vorne: Gestern guck ich in den Briefkasten und sehe da die neueste Ausgabe von irgendsoeinem Amiga-Magazin, das ich abonniert habe und dessen Name ich hier nicht nennen möchte, da ich dafür nicht bezahlt werde. Schon auf der Titelseite springt mir die Schrift ins Auge : AMIGA 600 und AMIGA 600 HD (Untertitel: Sensationen von der CeBIT). Ich nehme mir also den entsprechenden Artikel vor (man will ja schließlich wissen, was Commo so auf den Markt wirft !), doch schon beim Anblick der Fotos stellen sich mir die Nackenhaare senkrecht ! Der umwerfende Eindruck von den neuen Geräten ver- stärkt sich sogar noch beim Lesen des Artikels (was ich nach dem Anfangs- schock kaum noch für möglich gehalten hatte). Hier also mal eine kurze Übersicht darüber, was die neuen Amigas alles haben, können (und nicht haben, bzw. nicht können) und überhaupt. Dabei möchte ich so nach und nach durch verschiedene Fakten eine Behauptung untermauern. Diese Behauptung lautet: Der Amiga 600 (HD) ist eine Spiele-Konsole 1. Die Optik Über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten, über das Design des A600 aber schwerlich. Aus 5 Metern Entfernung ist das Teil auch bei genauerem Hinsehen kaum von einem C64-II zu unterscheiden (es sei denn, man bemerkt sofort das schräg eingebaute Diskettenlaufwerk auf der rechten Seite). Die Zehnertastatur ist ganz offensichtlich der Säge zum Opfer gefallen. 1. Faktum: Der A600 (HD) sieht einem bekannten 8-Bit-Spielecomputer zum Verwechseln ähnlich. ==> A1000-User und andere Ästethen sollten Abstand von diesem Computer nehmen. 2. Faktum: Dem A600 (HD) fehlt die zur Eingabe von Zahlenwerten wichtige Zehnertastatur - Die anvisierte Zielgruppe sollte ein solches Feature nicht benötigen ==> Tabellenkalkulierer sollten Abstand von diesem Computer nehmen. 2. Die Anschlüsse Auf den ersten Blick hat sich hier wenig getan - wie gesagt, auf den ersten Blick ! Wer genauer hinschaut, wird feststellen, daß der Expansionsport stark geschrumpft ist. Genauergesagt ist das, was sich an Stelle des Expansions- portes befindet ein sogenannter "Flash-Memory-Card-Port". Auf Deutsch: Hier können nur Speicherkarten eingeschoben werden. Der Port ist natürlich in- kompatibel zum alten Speicherport des A500 oder A500+. Wo ist denn jetzt der Expansionsport ? Der ist in den Rechner gewandert und präsentiert sich dort als 80-poliger Platinenkontakt - Belegung selbstverständlich inkompatibel zum A500/A500+/A1000 ! Dafür hat der A600 aber einen eingebauten TV-Modulator und einen Composite-Ausgang. 3. Faktum: Im A600 läßt sich nur noch eine Erweiterung intern einbauen. ==> Leute, die Turbokarten, SCSI-Controller o.ä. brauchen sollten Abstand von diesem Computer nehmen. 4. Faktum: Der A600 läßt sich problemlos an einen Fernseher oder billigen Composite-Monitor anschließen ==> Leute, die am Monitor sparen wollen, sollten sich diesen Computer mal ansehen. 3. Innere Werte Sämtliche Bauteile des A600 (HD), außer dem Kickstart-ROM sind in SMD-Technik gefertigt und somit direkt mit der Platine verlötet. Es existiert ein neuer Chip (Gayle), der die Aufgaben des Gary-Chips und eines IDE-Bus-Controllers übernimmt (für die interne Festplatte). Die Kickstart besitzt die Nummer 2.05 (Version 37.300). 1 MByte Chipmem sind auf der Platine vorhanden. 5. Faktum: Da alle Chips mit der Platine verlötet sind, fällt ein Einstecken von Erweiterungen in den Prozessor-Sockel flach. ==> A500-Besitzer, die umsteigen wollen, sollten Abstand nehmen von diesem Computer. 6. Faktum: Da alle Chips mit der Platine verlötet sind, fällt ein einfacher Austausch von defekten Chips (8520 !) flach. Man muß mit dem Teil zum Händler. ==> Leute, die wissen, wie man einen gesockelten Chip austauscht sollten Abstand nehmen von diesem Computer; ==> Hardware-Reparatur-Werk- stätten sollten sich diesen Computer mal ansehen, sie werden ihn in Zukunft bestimmt öfter zu sehen bekommen ! 7. Faktum: Es läßt sich kein Flickerfixer einbauen, da der Denise nicht ent- fernt werden kann. ==> DTP-User und CAD-Benutzer sollten Abstand nehmen von diesem Gerät. Nachdem ich jetzt so nach und nach herausgestellt habe, für wen dieser Amiga nicht geeignet ist, dürfte die von Commodore angepeilte Zielgruppe wohl klar sein: Die computerspielenden Kids. Die brauchen keine Zehnertastatur, keine Turbokarte, keinen Flickerfixer, keine SCSI-Festplatte. Dafür ist eine ein- fache Speichererweiterungsmöglichkeit und der direkte Anschluß an den heimischen Fernseher (oder den vorhandenen C64-Monitor) problemlos möglich. Fazit: Sobald einer meiner (PC-benutzenden) Kommilitonen den A600 entdeckt, werde ich mit meinen Beteuerungen, daß der Amiga keine Spielekonsole ist, auf verlorenem Posten stehen. Entweder wird das Teil der größte Reinfall seit dem C16 oder es wird in den nächsten Jahren eine Menge Kids geben, die von sich behaupten dürfen, einen Amiga zu besitzen (mehr aber auch nicht!). Ich wende mich also mit Schaudern ab und hoffe, daß der Amiga 4000 (oder wie immer der nächste Amiga heißen wird) nicht ebenso ein Griff in die Sch.... wird. Jörg Herz