@OZ120diamond.font @ZS1 Amiga - ein Minderheitencomputer ? @ZS0 Editorial vom 15.09.92 by Jörg Herz Hallo 1000er-User ! fühlt Ihr Euch als Amiga-User eigentlich auch als Minderheit in einer Welt von DOSen ? Ich finde es jedenfalls teilweise sehr deprimierend, wie wenig Leute auf Schulen und Universitäten (speziell auf meiner Schule) einen Amiga ihr eigen nennen. Ich bin jedenfalls der Einzige in der ganzen FH, der ein solches Gerät besitzt ! (Na ja, wir haben auch nur etwa 300 Studenten, aber trotzdem.) Alle anderen KommilitonInnen, die einen Computer daheim stehen haben, haben eine DOSe (und das sind ca. 40% der Studenten). In meiner Frustration habe ich mich schon des öfteren mit einem Atari-ST-User zusammengetan (auch der einzige unter hunderten), um mal kräftig über die Intel-Klone zu lästern. Da trösten die Worte von Herrn Jost, der behauptet, allein in Deutschland seien 1,2 Millionen Amiga verkauft worden, nur sehr spärlich. Wo sind sie denn ?? Ich sehe in meiner Umgebung kaum einen. Auch die Professoren haben durchweg ATs auf ihren Schreibtischen stehn (immerhin von Commodore, aber was solls ??). Der Informatikprofessor macht Werbung für seinen 33MHz-486er. Da kann ich lange erzählen, daß der A4000 mit 25 MHz mehr als doppelt so schnell und das Betriebssystem viel besser ist. Das nützt nix, solange im Informatik-Raum die vernetzten XTs stehn und die Scheine in Informatik mit Turbo-Pascal-Programmen, Word-Texten und Quattro-Pro-Tabellen geholt werden müssen. Trotz aller Frustration habe ich noch nicht damit aufgehört, meine Kommili- tonInnen zum "wahren Glauben" bekehren zu wollen. Hin und wieder gibt es außerdem ein paar Lichtblicke, die mir meinen Glauben an die Gerechtigkeit zurückgeben, wie z.B. die Szene als unser Thermik-Professor ganz stolz dem Semester die reibungslose Zusammenarbeit zwischen seinem 386er, WORD5.0 , dem Epson-Scanner und dem Laserdrucker demonstrieren wollte. Nach anfänglichem Neid (was könnte man mit diesen Peripherigeräten an einem vernünftigen Computer alles anfangen !), wandelte sich meine Stimmung im Laufe der Vorführung immer mehr zu Belustigung und offener Heiterkeit. Nachdem die Grafik nach einigen vergeblichen Versuchen eingescannt und in WORD eingelesen war, speicherte WORD die resultierende Text/Grafik-Seite so, daß sie anschließend nicht wiederzufinden war. Der Höhepunkt war allerdings der viertelstündige Versuch, den Laserdrucker zum Ausdruck einer Seite (eine willkürlich gewählte Seite, denn die andere blieb verschwunden) zu bewegen. Erst nach massivem Eingreifen eines Assistenten spuckte der Laserjet endlich das gewünschte Resultat aus. Auch wenn einiges an dieser Vorstellung (Verzeihung: Vorführung !) wohl durch die Inkompetenz der Beteiligten verursacht wurde, genügte es, um mich den Rest der Woche positiv zu stimmen: Was nützen die besten Peripherie- geräte, wenn der User keine Ahnung vom Computer hat ? Und damit wäre ich bei einer Eigenschaft, die viele DOSen-User an unserer Schule (seien es nun Studenten oder Professoren) teilen: die Ahnungslosigkeit. Die meisten können noch nichtmal ein Standard-Programm oder eine Hardwarekarte selbst installieren. Dafür erfreuen sich so professionelle Programme wie "WingCommander", "Civilization" oder "TransWorld" steigender Beliebtheit (während Viele darauf schwören, der NortonCommander genüge ihnen als Benutzeroberfläche, sie bräuchten kein Windows). Die gleichen Leute sind auch schnell bei der Hand, wenn es in Diskussionen (Doch es gibt sie ge- legentlich ! Sie verlaufen gewöhnlich nach dem Muster "Einer (ich) gegen Alle (der Rest der FH)".) darum geht den Amiga als "Grafik- und Spiele- maschine" zu (dis-)qualifizieren. Ich habe jedenfalls meinen eigenen Weg gefunden, um den Amiga an unserer Schule zu etablieren. Meine Methode ist die "schleichende Infiltration". In Gesprächen von DOSen-Usern, die sich meistens um Installationsprobleme und Inkompatibilitäten drehen, sind meine hämischen Bemerkungen inzwischen gefürchtet. Für besonders hartnäckige MS-DOS-Freaks, die auch noch Ahnung von der Sache haben, inszeniere ich gelegentlich kleine Vorführungen auf meinem Amiga, wo dann, "rein zufällig" natürlich, ein halbes Dutzend Programme gleich- zeitig laufen, Sound gespielt wird, und das ganze unter OS2.0. Wobei ich natürlich nicht unerwähnt lasse, daß mein Amiga nur mit 14 MHz betrieben wird (gerade weil es in DOSen-Kreisen üblich ist, mit der Taktfrequenz zu protzen). Da ich weiß, daß diese Leute sowieso niemals auf einen Amiga umsteigen würden (viel zu unprofessionell), kann ich das volle Amiga- Programm abfahren lassen (Raytracing-Animationen in 4096 Farben), ohne mir Gedanken darüber zu machen, ob das jetzt sehr arrogant aussieht. Sehr gut zieht auch die Bemerkung, mein Amiga sei jetzt über fünf Jahre alt. Jeder PC-User weiß, wie lange man einen PC behalten kann, ohne daß er veraltet ist: höchstens drei Monate, und dann hat man zuviel dafür be- zahlt ! Sehr beliebt sind meine Flugblätter ("MATRIX, die Zeitschrift der Psycho- keramischen Gesellschaft" oder "Das erste Universallexikon für das Erst- semester", sowie meine Skripte zu AllgemeineChemieI,II und III und Praktikum Analytische Chemie), die ausnahmslos auf dem Amiga erstellt wurden, teilweise mit Vizawrite2.0, Excellence2.0 oder PageStream, was ich auch nicht zu erwähnen vergesse. Gelegentlich gebe ich auch Studienarbeiten mit meinem Amiga den letzten Schliff (was natürlich im Impressum gewürdigt wird). Leider sind das alles nur Einzelaktionen, die wohl keine direkten Aus- wirkungen haben werden. Daß ich gelegentlich die ein oder andere Amiga-Zeitschrift offen herum- liegen lasse, hat sich aber in der Zwischenzeit ausgezahlt. Ein Kommilitone hat mich bereits nach dem Preis für einen A2000 gefragt und auch weiteres Interesse an einem Amiga bekundet. Wenn das so weiter geht werde ich wohl in hundert Jahren ein paar Leute bekehrt haben. Wie geht es Euch so, mit den DOSen-Usern ? Fühlt Ihr Euch auch so allein an eurer UNI, FH, Schule, Arbeitsplatz ?? Schreibt mir und tröstet mich ! Jörg Herz Editor und Amiga-Missionar