@ZS1 Testbericht zur Merlin II Grafikkarte @ZS0 @SA1 Vor einiger Zeit bekam ich ein günstiges Angebot für eine Merlin II Grafik- karte, was ich einfach nicht ablehnen konnte, trotz des Rufes den die Merlin und vor allem X-Pert genießt. Die Grafikkarte ist mit 4 MB RAM bestückt und bereits mit dem FBAS-Modulator ausgestattet. Der Einbau ist relativ einfach. Die Karte wird in einen beliebigen Zorro- Steckplatz eingesetzt. Dadurch, daß die Karte in Multilayertechnik aufgebaut ist, ist das Einsetzen in einen Steckplatz mit etwas mehr Kraftaufwand ver- bunden, da die Karte etwas dick ist - aber sie paßt. Die Installation der Software erfolgt mit dem Commodore-Installer. Wer Workbench 2.1 vollständig und richtig installiert hat, ist dann bereits fertig. Besitzer einer falsch installierten WB 2.1-Version, oder von WB 2.0 werden an dieser Stelle allerdings eine böse Überraschung erleben. Ein wesent- licher Unterschied zwischen WB 2.0 und WB 2.1 besteht in den Monitorfiles. Während unter WB 2.0 die Monitorfiles lediglich Datenfiles waren, die von dem Programm Addmonitor ausgewertet wurden, enthalten die Monitorfiles unter 2.1 eigenständige Programme. Der Workbenchemulator der Merlin wird eben auf diese Weise gestartet, allerdings geht es halt nicht unter WB 2.0. Leider wird auf diesen Aspekt im Handbuch nicht hingewiesen. Das Fehlen dieser Information hat mich mehrere Stunden gekostet. Was auch nicht im Handbuch steht, aber ebenfalls sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat, ist die Tatsache, daß unter ENVARC:SYS/ der Eintrag für den Overscan "overscan.prefs" gelöscht werden muß. Ansonsten bleibt der Rechner einfach mitten im Bootvorgang stehen. Naja, nachdem dann also die Softwareinstallation abgeschlossen ist, hat man mit dem Preferences-Programm "ScreenMode" nun nicht nur die Auswahl zwischen den AMIGA-Screenmodes, sondern es stehen jetzt auch diverse Screenmodes der Merlin zur Verfügung. Nach Anwahl eines Merlin-Screenmodes, erscheint die Workbench dann auf der Grafikkarte. Je nach Monitor sind Auflösungen von 640 * 200 bis 1600 * 1200 möglich und alle mit mehr als 60 Hz Bildwiederholfrequenz, also flimmerfrei. Leider habe ich nur einen einfachen SVGA-Monitor, der bereits bei 38 kHz Zeilenfrequenz abschaltet. Daher muß ich mich mit einer Workbenchauflösung von 800 * 600 zufriedengeben. Die meisten Programme, die ein Window auf der Workbench aufmachen, laufen fehlerfrei auf der Grafikkarte. Das trifft auch für Programme zu, die ihren eigenen Screen öffnen, da man die Möglichkeit hat, die Ausgabe wahlwiese auf die Karte umzulenken, oder einen original-AMIGA-Screen zu verwenden. Lediglich einige Programme verweigern die Zusammenarbeit mit der Karte, dazu gehört unter anderem auch DPaint. Ebenso versagen alle Tracker ihren Dienst und bringen den Rechner sogar zum totalen Stillstand. Im wesentlichen versagen alle Programme, die unter Umgehung des Betriebssys- tems direkt in das Chip-RAM schreiben, oder Sprites verwenden. Die Merlin stellt nur einen Hardware-Sprite zur Verfügung, mit dem der Mouse-Pointer dagestellt wird. Es gibt drei verschiedene Emulationsarten, die man gleichzeitig mit dem Screenmode anwählt. Die erste Emulation nennt sich "Chipcopy". Hierbei wird der Bildschirm zunächst vom Betriebssystem im ChipRAM aufgebaut und an- schließend in den Speicher der Karte kopiert. Sehr übel ! Neben der RAM-Ver- schwendung ist die CPU jetzt hauptsächlich damit beschäftigt, Bilddaten zu kopieren. Die zweite Emulation heißt "Refresh". Ähnlich wie bei Chipcopy werden Grafiken teilweise im ChipRAM erzeugt und von dort in das Video-RAM kopiert. Das geschieht aber auf eine wesentlich intelligentere Weise, so daß wenigstens die CPU nicht dauernd belegt wird. Als letztes steht die EchtEmu(lation) zur Verfügung. Hierbei sind die Grafik- routinen des Betriebsystems direkt durch Merlin-Routinen ersetzt worden. Fast das gesammte ChipRAM bleibt daher frei. Leider wird auch in diesem Modus der Blitter der Merlin nicht benutzt, so daß alle Arbeit an der CPU hängen bleibt ! Während der Chipcopy-Modus eh nicht richtig funktioniert, bieten die beiden anderen Modi jeweils Vor- und Nachteile. Im Refresh-Mode ist die Textausgabe saumäßig langsam. Um mit "List" den Inhalt des C: - Directories in der Shell auszugeben, benötigte der Rechner fast 40 Sekunden ! Der Echtemulations-Modus ist hierbei etwa um den Faktor 7 schneller. Das ist schon gut brauchbar. Leider gibt es einige Programme, die mit dem EchtEmu-Modus nicht zurecht kommen. Eigenartiger Weise gehöhren die XPert-Merlin-Programme dazu. Zum einen gibt es den Screen-Promotor, über den man die Ausgabe von Programmen auf einen Merlin-Screen umleiten kann. Sobald ein Programm versucht, einen Screen zu öffnen, tritt der Promotor in Aktion. Die Ausgaben des Promotors gehen so langsam voran, daß man beobachten kann, wie jedes einzelne Pixel geschrieben wird. Nach etwa zwei Minuten Wartezeit kann man dann wieder normal weiterarbeiten. Das Gleiche gilt für das Programm UniDisplay, eine ViewTek-Variante für die Merlin-Karte. Dieser Effekt tritt im Refresh-Modus nicht auf. Das führt dann dazu, daß man den Preferences ScreenMode-Einsteller auf die Workbench auslagert, damit man ihn schnell erreichen kann, wenn man mal wieder den Screenmode ändern muß. Eine weitere unverzichtbare Maßnahme ist es, sich eine zweite bootbare Parti- tion anzulegen, von der aus die Grafikkarte nicht in das System eingebunden wird, um auch weiterhin Programme benutzen zu können, die nicht kompatibel zur Karte sind. ¹ Die Geschwindigkeit der Emulation ist langsamer als ein original AMIGA-Screen, reicht aber normalerweise aus. Das ist allerdings sehr stark abhängig von der CPU. Ich glaube kaum, daß die Merlin unter einem standard 68000er brauchbar wäre. Wie nicht anders zu erwarten, wird die Hardware noch nicht in allen Teilen unterstützt. So wird z.B. der Blitter der Merlin kaum angesprochen, was dazu führt, daß alle Speicheroperationen im Video-RAM von der CPU erledigt werden müßen. Die Geschwindigkeit des Blitters kann man sich nur in verschiedenen Demoprogrammen anschauen, und sie ist wirklich fazinierend ! Schade eigentlich, daß diese Resource ungenutzt bleibt. Immerhin erkennt die Karte selbständig, ob sie in einem Zorro-II oder III Bus steckt. Somit ist es im 3000er immerhin möglich, daß die CPU auf einem 32 Bit- Bus arbeiten kann. Auf einem 16-Bit-Bus wäre es sicherlich kaum möglich, überhaupt vernünftig mit/auf der Karte zu arbeiten. Ein Fazit erübrigt sich an dieser Stelle, da man die Merlin bestenfalls noch gebraucht bekommt. Seit dem 1. April existiert die Firma XPert nicht mehr. Für die Weiterentwicklung der Software ist glücklicherweise gesorgt, ob sich allerdings ein neuer Anbieter für die Grafikkarte findet, ist bis zum jetzigen Zeitpunkt noch ungewiß. Bei soviel Schatten gibt es aber auch Licht. Wer sich hauptsächlich auf der Shell oder einem Editor aufhält (ist bei mir der Fall), hat eine einwandfreie Arbeitsoberfläche mit ausreichender Auflösung und augenschonend hoher Bild- wiederholfrequenz. »·« CD »·« ¹ Genauer müßte es heißen : Programme, zu denen die Karte nicht kompatibel ist.